Bucka, Marvin
Dissertationsthema:
"Verwundbarkeit und Verantwortung: Versuch über eine Ethik der Gewaltlosigkeit nach Emmanuel Levinas und Simone Weil."
Promotionssstipendium
des evangelischen Studienwerks Villigst (1.07.2022 - 30.06.2025).
Kontaktadresse an der Universität Würzburg:
Institut für Philosophie
Ehrenhof, Südflügel
Residenzplatz
97070 Würzburg
Erstbetreuer: PD Dr. Robert Ziegler
Zweitbetreuende:
Dr. habil. Pascal Delhom (Univ. Flensburg)
Klasse in der Graduiertenschule: "Philosophie, Sprachen, Künste"
Promotion in der Graduiertenschule seit WS 2021/2022.
Abstract
Im Angesicht weltweiter Umwelt-, Gesundheits- und Menschenrechtskrisen wird zunehmend über menschliche Verwundbarkeiten und deren konstitutive Rolle für eine ethische Begründung von Verantwortung gesprochen. Auf diese Krisen wird gleichermaßen durch eine Vielzahl gewaltloser Widerstandsformen, wie in den Black Lives Matter-Bewegungen, geantwortet. In meiner Arbeit werde ich demfolgend eine Ethik der Gewaltlosigkeit zu bestimmen versuchen, die aus menschlichen Verwundbarkeiten eine grundsätzliche Verantwortung für andere ableitet.
Auf Basis der Werke von Emmanuel Levinas und Simone Weil, die sich beide intensiv mit der Möglichkeit von Gewaltfreiheit und mit der Verantwortung in der ethischen Beziehung befasst haben, werde ich im ersten Teil meiner Arbeit zunächst klären, was es heißt, dass wir "vom Scheitel bis zur Sohle, bis in das Mark [unserer] Knochen, Verwundbarkeit" sind (Levinas). Anschließend setze ich mich damit auseinander, wie aus dieser Begegnung mit der eigenen und mit der Verwundbarkeit anderer Menschen die Verantwortung zu verstehen ist, die Levinas als "die Menschlichkeit des Menschen" bezeichnet und die bei Weil in einer "Verpflichtung jedem Menschen gegenüber, nur weil er ein Mensch ist", kulminiert. Dies führt mich schließlich in den Themenkomplex der Gewaltfreiheit, deren Möglichkeit von beiden Philosoph:innen erörtert wird, nicht ohne deren Grenzen zu sehen, weshalb Weil "eine wirksame Gewaltlosigkeit" fordert. Insofern beide ihre Theorien auch gegen die Gewalt und das Unrechtssystem des Nationalsozialismus formulierten, entwickeln sie eine Gewaltlosigkeit trotz der Gewalt, einen gewaltfreien Widerstand, der "das bißchen Menschlichkeit, das die Erde ziert" (Levinas), retten soll.
Im zweiten Teil der Arbeit werde ich den vorherigen Analysen folgend die Gewaltlosigkeit phänomenologisch ergründen. Hier schließt sich die Arbeit aktuellen philosophischen Debatten etwa um Judith Butler an, die ebenfalls versucht, Menschlichkeit ausgehend von einer geteilten Verwundbarkeit neu zu denken. Mein Fokus wird auf der Trauer als Form der Gewaltlosigkeit liegen, da für Weil gerade die Empfindsamkeit in der Trauer einen jener Momente der Gnade bedeutet, die selbst im Umfeld omnipräsenter Gewalt Räume der Gewaltlosigkeit zu eröffnen
vermögen. Und auch Butler hob früh die "Betrauerbarkeit" als Momentum im Umgang mit Gewalt hervor. Am Ende meiner Arbeit stehen hoffentlich ein phänomenologisch klar begründetes Verständnis von Formen der Gewaltlosigkeit und eine ethische Begründung derselben als Verantwortung für unsere geteilten Verwundbarkeiten.